»Als Bodenschätze noch wertvoll waren: BR 56.20 in Echte
Vor und während des 2. Weltkriegs wurden viele Bodenschätze im Deutschen Reich selbst ausgebeutet, um von Importen unabhängig zu sein. So wurden im Harz, im oder am Schwarzwald und auch in anderen Mittelgebirgen Erzlagerstätten erschlossen, die nur geringe Erzanteile im Gestein hatten. Die Erzgrube in Echte ist ein typisches Beispiel dafür. Das Eisenerz aus dem Boden unter Echte hat einen Eisenanteil von cirka 25 Prozent – Kiruna-Erz aber von über 60 Prozent. Die Förderung von Eisenerz begann in Echte 1937 – die Grube soll zu damaliger Zeit das modernste Eisenerzbergwerk Deutschlands gewesen sein.
Viele Gruben wurden direkt nach dem Krieg wegen mangelnder Rentabilität wieder geschlossen, die Grube Echte blieb jedoch noch einige Jahre in Betrieb. Nebenbei bemerkt: Sie haben noch nie etwas von Echte gehört? Das Autobahnausfahrt-Schild „Echte 1000 m“ an der BAB 7 hat schon manches Kind bei langen Autofahrten wieder aufgeheitert und ist Stammgast in Magazinen, wenn lustige Schilder vorgestellt werden.
Abtransport von der Grube Echte
Zum Abtransport des Erzes wurde die in der Nähe vorbeiführende 750-mm-Schmalspurbahn „Kreisbahn Osterode-Kreiensen“ im Abschnitt Kreiensen-Kalefeld dreischienig vor dem Zweiten Weltkrieg ausgebaut. Die Betriebsführung auf der „Normalspur” oblag jeweils der Staatsbahn, während die Schmalspur weiterhin von der Kreisbahn betrieben wurde.
Betrieb im Jahr 1958
Hierzu können wir einen Zug von Echte zu den Stahlwerken des Ruhrgebiets betrachten: den Gdg 7950. Die Leerwagen wurden mit dem Gdg 7951 B zugeführt. Im gleichen Plan verkehrte auch der Gdg 7955 B, der leere Wagen zur Grube Othfresen brachte. Die Zuführung war eine Leistung der BR 44. Zwischen Kreiensen und Kalefeld mit dem Abzweig zur Grube Echte kam eine BR 56.20 des Bw Kreiensen auf dem Dreischienengleis zum Einsatz.
Der beladene Gdg 7950 hatte eine Planlast von immerhin 2.000 t. Diese Last* musste auf dem Abschnitt Grube Echte—Kreiensen die BR 56.20 allein ziehen – oder besser ausgedrückt: ins Tal bremsen. Ab Kreiensen war eine 44er mit Vorspann (vermutlich ebenfalls BR 44) vorgesehen oder aber eine BR 44 mit Schublok. Anmerkung: Sind die Bespannungsangaben im Buchfahrplan für die Züge Gdg 7950 und Gdg 7970 möglicherweise vertauscht?
Da der Zug in Kreiensen die Fahrtrichtung änderte, ist anzunehmen, dass die 56.20 als Schublok auf der Rampe aus dem Leinetal heraus bis Naensen am Zug blieb. Von solchen Schubeinsätzen soll es Bilder geben.
Im weiteren Verlauf seiner Fahrt passierte der Gdg 7950 kurz vor Ottbergen den Abschnitt Abzw. Steinberg—Abzw. Wildberg**, die sog. „Engländer-Kurve“. Sie ist eine Folge des 2. Weltkriegs wegen der gegen Kriegsende zerstörten Weserbrücken. Die Verbindungskurve zwischen den Strecken Holzminden-Scherfede und Northeim-Ottbergen ermöglichte eine schnelle Aufnahme des Zugverkehrs über die Weserbrücke bei Fürstenberg, die als erste wieder aufgebaut war.
Was passierte inzwischen mit der Schiebelok?
Die kehrte als Lz 13131 nach Kreiensen zurück (Naensen ab 14:37, Kreiensen an 14:49). Dass dabei der Gdg 7950 Naensen nach dem Buchfahrplan um 14:34 ohne Halt durchfahren hat, das gibt Anlass zu weiteren Vermutungen: Einige Loks der BR 56.20 aus Kreiensen dürften für Schiebedienste mit einer (gem. Fahrdienstvorschrift) „vom Führerstand aus lösbaren Kupplung“ ausgerüstet gewesen sein. Denn gemäß FV war die Lok mit dem Zug zu kuppeln! Der Anschluß an die Luftleitung war eine „Kann“-Bestimmung. Für die Rückfahrt darf angenommen werden, dass sie auf dem „falschen“ Gleis stattfand. Denn der Abstand zwischen Durchfahrt des Gdg 7950 und der Abfahrt des Lz 13131 ist für ein Umsetzen knapp bemessen. Dann folgt bereits um 14:48 (ab Naensen) der Pb 2425 nach Kreiensen (natürlich auf dem „richtigen“ Gleis). Ob der Gdg 7950 immer so pünktlich war? Vielleicht hat sich das Geschehen in der Realtät etwas anders abgespielt. Dennoch ist für das Beenden des Nachschiebens die „lösbare Kupplung“ nötig.
Mit den Angaben aus Zugbildungsplan und Buchfahrplan haben wir vier Streckenbenutzungen in die Karte eingearbeitet:
- Gdg 7950: Dunkelgrün = Kalefeld—Kreiensen—Holzminden—Engländer Kurve—Ottbergen—Paderborn
- Gdg 7970: Hellgrün /Türkis/Dunkelgrün = Bad Harzburg—Neuekrug-Hahausen—Kreiensen—Holzminden—Ottbergen—Paderborn
- Gdg 7954: Hellgrün/Braun = Bad Harzburg—Goslar—Othfresen und Türkis/Braun = Othfresen—Salzgitter-Ringelheim—Hildesheim—Hameln—Löhne (Westfalen)
- Gdg 7955: Türkis = Kreiensen—Salzgitter-Ringelheim—Othfresen
Wie könnte es auf db58 weitergehen?
- Neben der Auswertung der DB-Unterlagen aus jener Zeit haben wir auch „heimatkundliche“ Nachforschungen durchgeführt: Es gibt zwar Literatur zum Erzabbau im und am Harz – aber bis jetzt haben wir nur wenig relevante Daten zum Betrieb der einzelnen Gruben zum Ende der fünfziger Jahre finden können. Kann hier jemand etwas beisteuern?
- Baureihe 56.20 in Kreiensen
- Ottbergener BR 44
Quellen
- Buchfahrplan vom Herbst 1958
- Zugbildungsplan für Güterzüge vom Herbst 1958
- Bildfahrplan für Güterzüge vom Herbst 1958
- Deutsche Klein- und Privatbahnen von Gerd Wolff; EK-Verlag 2009
- Regiowiki der HNA
- *Widersprechen die Lasten des Buchfahrplans diesen Angaben im HiFo?
- **Beiträge über die Engländerkurve und die Drehscheibe von Wehrden im Hifo
Bad Harzburg, Baureihe 44, Baureihe 56.20-29, Gdg 7950 Grube Echte—Kreiensen—Paderborn(—Soest—Ruhr), Gdg 7951 B (Ruhr—Soest—)Paderborn—Ottbergen—Kreiensen—Grube Echte, Gdg 7952 B Grube Echte—Kreiensen—Ottbergen—Paderborn(—Soest—Ruhr), Gdg 7953 B (Ruhr—Soest—)Paderborn—Ottbergen—Kreiensen—Grube Echte, Gdg 7954 Bad Harzburg—Goslar—Othfresen—Hildesheim—Löhne (Westfalen)—Hamm Vbf—(Ruhr), Gdg 7955 B (Ruhr—Soest)—Paderborn—Ottbergen—Kreiensen—Saalzgitter-Ringelheim—Othfresen, Gdg 7956 B Othfresen—Salzgitter-Ringelheim—Kreiensen—Paderborn(—Soest—Ruhr), Gdg 7970 B Mathilden-Hütte—Bad Harzburg—Kreiensen—Paderborn(—Soest—Ruhr), Goslar, Grube Echte, Hildesheim, Holzminden, Kalefeld, Kreiensen, Löhne (Westfalen), Othfresen, Ottbergen, Paderborn, Salzgitter-Ringelheim
Jan Bruns
Nachdem ich heute wieder einmal auf der Durchreise mit der ehem. Bunker- und Verladeanlage der Grube Echte konfrontiert worden bin, hier die Produktionszahlen bis zur Stilllegung (Quelle: Dr. Rainer Slotta, Technische Denkmäler in der Bundesrepublik Deutschland, 5. Der Eisenerzbergbau Teil I, Bochum 1986), genannt die Förderzahlen Eisenerz in Tonnen:
"
1942 91.317
(...)
1945 30.335
1946 125.770
1947 177.994
(...)
1956 517.495, Belegschaft 389
1957 528.228, Belegschaft 394
1958 486.983, Belegschaft 339
1959 424.634, Belegschaft 303
1960 443.549, Belegschaft 294
1961 453.661, Belegschaft 283"
„Insgesamt sind in der 25jährigen Betriebszeit etwa 7 Mio t Erze in Echte gefördert worden.“ Dr. Slotta merkt an, dass noch rund 15 Mio t. Eisenvorräte vorhanden sind, die eine Beibehaltung der Förderung über rund 20 Jahre ermöglicht hätten. Dennoch wurde der Abbau am 22. Dezember 1962 aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt, eine Förderzahl für das letzte Jahr wird nicht mehr genannt.
Grüße
Jan Bruns