»Wendezugbetrieb mit V 36 der BD Wuppertal
Die beim Bw Wuppertal-Steinbeck beheimateten ehemaligen Wehrmachtslokomotiven V 36 wurden schon ab 1948 im Reisezugdienst auf der Strecke zwischen Wuppertal-Vohwinkel und Schwelm verwendet, allerdings noch nicht im Wendezugdienst. Als Reisezugwagen dienten damals die im Triebwagenbetrieb noch nicht wieder benötigten Steuerwagen VS 145 und Beiwagen VB 147 – die V 36 verfügten bekanntermaßen über keinen Heizdampferzeuger, so mussten Wagen mit Eigenheizung verwendet werden, wenn man ganzjährig fahren wollte.
Ab Sommerfahrplan 1950 verkehrte dann erstmals ein mit V 36 bespannter Wendezug auf der Strecke von Wt.-Elberfeld nach Wt.-Cronenberg. Der im stündlichen Taktverkehr fahrende Zug bestand aus einer V 36 und einem sog. Wendezugbefehlswagen VS 145, der in Richtung Cronenberg geschoben wurde. Dadurch war es möglich, bei nur 3 Minuten Wendezeit in Wt.-Cronenberg mit nur einer Wendezug-Einheit stündlich ein für die damalige Zeit ansprechendes Nahverkehrsangebot anzubieten.
Aufgrund des hohen Fahrgastaufkommens verkehrten die Wendezüge überwiegend als Doppeleinheit, da auf der steigungsreichen Strecke der Fahrplan bei Bespannung mit nur einer V 36 nicht eingehalten werden konnte. Mit Beginn des Sommerfahrplans 1955 wurden die Wendezüge von dreiteilig verkehrenden VT 95-Schienenbussen abgelöst.*
Für die Verwendung im Wendezugdienst war es erforderlich, die V 36 mit einer 8-bar-Hauptluftbehälterleitung (äußerlich an den drei oder vier Luftschläuchen an der Pufferbohle erkennbar) auszurüsten. Sie diente zur Druckluftversorgung des Führerbremsventils im Wendezugbefehlswagen. Die Aufträge zur Regelung der Motorleistung wurden über eine nachträglich installierte Klingelleitung vom Lokführer im Wendezugbefehlswagen dem Maschinenwärter genannten Beimann auf der V 36 übermittelt. Die Bedienung der Bremse oblag ausschließlich dem Lokführer im Wendezugbefehlswagen.
Personalbesetzung der Wendezüge
Der Wendezugbefehlswagen galt als Steuerwagen im Sinne der BO § 63 (3). Dieser musste als Spitzenfahrzeug im Wendezugbetrieb von einem förmlich geprüften Lokführer besetzt sein. Die am Zugschluss laufende Diesellok war mit einem Beimann, der als Maschinenwärter für die betreffende Diesellokbaureihe ausgebildet sein musste, besetzt.
Mit HVB-Verfg. vom 30. 1. 1954 wurde entschieden, dass alle Wendezugbefehls- und Wendezugwagen (die Zwischenwagen) mit indirekter Steuerung mit einer 15-adrigen Steuerleitung und „Fabeg“-Kupplungen sowie mit den verbesserten „Fabeg“-Steuergeräten (Befehlgeber im Wendezugbefehlswagen und Befehlsempfänger auf der Lok) auszurüsten seien.
Die Ausrüstung der Wuppertaler V-36-Wendezüge mit diesen Geräten unterblieb jedoch, da man alsbald eine direkte Steuerung der V 36 vom Wendezugbefehlswagen anstrebte, die eine Besetzung des Führerstandes der Lokomotiven im Schiebebetrieb nicht mehr erforderte.
Nach Einstellung des V-36-Einsatzes zwischen Wuppertal-Vohwinkel und Schwelm im Herbst 1953 plante die ED Wuppertal nach dem Vorbild des Wendezugbetriebes zwischen Wt.-Elberfeld und Wt.-Cronenberg einen Wendezugbetrieb auf der zur BD Wuppertal gehörenden Strecke von Köln nach Bergisch Gladbach einzuführen. Mangels ausreichender Anzahl von Steuer- bzw. Beiwagen, mussten vier 2-achsige Personenwagen, auch Plattformwagen oder „Donnerbüchsen“ genannt, verwendet werden. Voraussetzung für den Einsatz dieser Wagen mit der V 36 war jedoch die Ausrüstung mit Warmwasserheizung (der mit Kohle gefeuerte Heizofen befand sich in einer der beiden Toiletten), außerdem wurde eine 8-bar-Hauptluft-Behälterleitung zur Versorgung der Bremsventils im Führerstand des Steuerwagens nachgerüstet.
Sonderumbau der Diesellok V 36 238
Vom 20. 1. bis 12. 8. 1955 wurde die V 36 238 (Bild Carl Bellingrodt) im Bw Wt.-Steinbeck in Zusammenarbeit mit dem AW Opladen auf Einmannbedienung mit höher gelegtem Führerhaus umgebaut sowie auf Einbau der Wendezugsteuerung über ein 15-adriges Steuerkabel und Sicherheitsfahrschaltung (Sifa) vorbereitet. Vom 19. 7. bis 14. 8. 1956 wurde die elektro-pneumatische Steuerung eingebaut und die Lok danach zusammen mit einem Packwagen, einem Plattformwagen und dem Steuerwagen VS 145 213 als erste Wendezugeinheit mit direkter Steuerung auf der Strecke Wt.-Vohwinkel—Aprath—Wülfrath—Kettwig eingesetzt.
Umstellung des Wendezugbetriebs mit V 36 auf direkte Steuerung
Hierzu schreibt die BD Wuppertal am 27. 12. 1956: Die ab 1. 6. 1957 geplante Einführung der 45-Std.-Woche zwingt unter Ausnutzung aller Möglichkeiten, den Wendezugbetrieb im Kölner Raum auf einmännige Besetzung umzustellen. Hierzu sind 6 Diesellokomotiven V 36 des Bw Wuppertal-Steinbeck mit Fernsteuerung (elektro-pneumatisch) und Sifa wie in der Diesellok V 36 238 erprobt, auszurüsten. Außerdem sollten die Lokomotiven für Einmannbetrieb umgebaut werden, d.h. die Bedienungseinrichtungen mussten auch auf der linken Seite des Führerstandes installiert werden. Dies waren Zusatzbremsventil, Führerbremsventil, Taster für Sifa, Füllungshandrad, Tonsignaleinrichtung und Sandstreuer.
In der Zeit von November 1958 bis Januar 1959 sind die sechs V 36 208, 209, 210, 225, 226 und 229 und die Wendezugbefehlswagen VS 145 351 und VS 145 394 sowie die VB 147 002, 012 und 053 im Bw Wuppertal-Steinbeck für die direkte Steuerung umgebaut worden. Den Spitzenwagen bei direkter Steuerung bezeichnet man nunmehr als Wendezugsteuerwagen!
Gemäß Schreiben der BD Wuppertal vom 2. April 1959 durften die im Wendezugdienst eingesetzten V 36 ab sofort unbesetzt bleiben, wenn sie vom Wendezugsteuerwagen direkt gesteuert wurden.
Das Bww Wuppertal-Vohwinkel rüstete die 5 zweiachsigen Personenwagen Bib 84 124, 84 606, 85 280, 83 087 und 84 042 sowie die 4 ABib** 84 256, 36 398, 83 423 und 83 525 als Wendezugwagen*** mit 15-adriger Steuerleitung aus. Damit konnten drei Wendezug-Garnituren für den täglichen Einsatz in Köln, eine Reserve-Einheit und der Wendezug nach Kettwig gebildet werden. Bemerkenswert ist aber, dass trotz ausreichend vorhandener Wagen mit Polsterklasse (2. Klasse, ab 1956 als 1. Klasse bezeichnet) in den Fahrplänen lediglich die 3. bzw ab 1956 die 2. Klasse angeboten wurde.
Ausklang
Zum Sommerfahrplan 1959 wurde der 3-tägige Wendezug-Umlauf in Köln um einen Umlauftag gekürzt und mit der freigewordenen Garnitur auf der Kb-Strecke 228c zwischen Schwelm und Witten ein Pendelverkehr eingerichtet. Ab Sommerfahrplan 1960 ersetzten dann dreiteilige Schienenbusse der Baureihe VT 98 die V-36-Wendezüge, während auf der Strecke von Wt-Vohwinkel nach Kettwig der Reiseverkehr eingestellt wurde.
Daraufhin erfolgte die Abgabe der V 36 208 und 209 mit den erst 1958 zugewiesenen VS 145 013 und dem VS 145 213 nach Bremerhaven-Lehe, während das Bw Frankfurt-Griesheim die V 36 210, 225, 226 und 229 mit VS 145 394, VB 147 002, 012 und 053 erhielt. Den VS 145 351 rüstete man für den Zusammenlauf für die VT 36.5 um – er verblieb damit beim Bw Wt.-Steinbeck. Der Verbleib der neun Wendezug-Plattformwagen konnte noch nicht geklärt werden. Zu dieser Zeit bestand bereits kein Bedarf mehr für diese veraltete Bauart, so dass sie vermutlich zu Bahndienstwagen umgebaut wurden.
Es bleiben aber noch weiterführende Fragen …
*Das Kursbuch zeigt für die Strecke nach Wuppertal-Cronenberg über Jahre keinen Triebwagenverkehr an, sondern weist nur daraufhin, dass keine Gepäckbeförderung möglich ist. Dem Kursbuch kann man also nicht entnehmen, dass von V 36 auf VT 95 umgestellt wurde. Es gibt Aussagen und Bilder, dass ab Herbst 1955 der Verkehr mit folgender Garnitur abgewickelt wurde:
- VT 95 + VB142 + VT 95 (mit Kleinsteuerung und nicht nur Klingelleitung)
Gibt es Unterlagen über den Verkehr mit VT 95 zwischen Elberfeld und Cronenberg?
** Waren die ursprünglichen BC-Plattform-Wagen im Jahr 1958 nur noch als heruntergestufte B-Wagen im Einsatz oder boten sie doch teilweise die 1. Klasse?
*** Welche Plattform-Wagen waren rot, welche grün?
Was passt auf db58 zum Thema?
Was kann oder könnte dieses Thema ergänzen?
- V-36-Wendezugverkehr auf den einzelnen Strecken der BD Wuppertal im Jahr 1958
- Samba oder Burgholzbahn nach Wt-Cronenberg
- VT 95-Einsätze des Bw Wt-Steinbeck
Quellen
- Sammlung Peter Jauch
- Foto Carl Bellingrodt; Sammlung Detlev Hagemann
- „Die Diesellokomotiven der Wehrmacht“ von Stefan Lauscher, EK-Verlag 1999/2006
- „Schienenomnibusse aus Uerdingen“ Band 1 und Band 2 von J.-U. Ebel, J. Högemann und Dr. R. Löttgers; EK-Verlag (2001/2002)
Baureihe V 36.2, Bw Wuppertal-Steinbeck, Wendezugbetrieb, Wuppertal-Cronenberg, Wuppertal-Elberfeld
Detlev Hagemann
Vielen Dank für den Hinweis! Von der Existenz des Buches wussten wir, hatten allerdings bis jetzt keinen Zugriff darauf.
Ein Artikel über den Samba ist in Vorbereitung, gerne mit Ihren Fakten aus Ihrem Buch!
Im begleitenden Thread im HiFo wird auf Publikationen im Köln-Bonner Verkehrsmagazin hingewiesen, bei der Peter Jauch Autor/Mitautor war.
Bei der Veröffentlichung hier auf db58 geht es uns vor allem darum, die Auswirkungen von regionalen Eigenheiten, technischer Entwicklung und dem Einfluss von Personen (z.B. Dezernenten bei den verschiedenen Bahndirektionen) auf die Verkehrsabwicklung nachvollziehbarer zu machen – oder Modellbahnern Epochen-Informationen liefern zu können.
Michael Peplies
Hallo,
ich verweise in aller Kürze vor dem Dienst auf folgende Publikation:
Der Samba, Die Stichbahn von Elberfeld nach Cronenberg,
Kurt Kaiß, Michael Peplies
Leichlingen 2007
ISBN 978-3-9806103-6-0
Dort finden sich auf den Seiten 88 bis 90 sowie 95 bis 96 einige Angaben zu den erwähnten Themen.
Desweiteren sind viele Informationen dieser Art, der besseren Lektüre wegen (keine reine Eisenbahnliteratur sonder auch für Heimatfreunde geschrieben), auch in den Bildunterschriften versteckt.
In der Hoffnung am Wochenende einmal die Unterlagen durchsehen und ein paar weitere Fragen beantworten zu können,
verbleibe ich mit besten Grüßen aus dem Bergischen
Michael Peplies